Rezension │"Nichts gesucht. Alles Gefunden. - Meine Reise auf dem Jakobsweg" - Jean-Christophe Rufin








Titel: Nichts gesucht. Alles Gefunden. 
- Meine Reise auf dem Jakobsweg
Autor: Jean-Christophe Rufin
Einband: Paperback
Seitenanzahl: 256
Verlag: Penguin
Meine Wertung: 5 Farbkleckse

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,, In dem Maße, wie uns das Leben formt, wie es uns mit Verantwortung und Erfahrungen belädt, erscheint es uns zunehmend unmöglich, ein anderer zu werden und das drückende Kostüm abzuwerfen, das unsere Pflichten, Erfolge und
 Irrtümer für uns geschneidert haben.“ (S.43)

Autor: Jean-Christophe Rufin, geboren 1952 in Bourges, ist Autor zahlreicher Romane und Essays und Mitglied der Academie Francaise. 2001 wurde er mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet. Vor allem aber ist er Arzt  langjährige Vizepräsident der Organisation  >> Ärzte ohne Grenzen<< und Vorreiter des humanitären Engagements, ein großer Reisender.

Klappentext: Als Jean-Christophe Rufin sich auf den Weg macht nach Santiago de Compostela, ist er weder Pilger noch auf der Suche. Eigentlich will er einfach nur auf dem seit Jahrhunderten und seit Hape Kerkeling bedeutenden Jakobsweg wandern. Doch unterwegs auf den 900 Kilometern des Camino del Norte kann er sich der Alchemie des »ewigen Weges« nicht entziehen.

Meinung:  Der Jakobsweg ist ein Thema, welches mich seit meinem 14. Lebensjahr interessiert und welchen ich hoffe irgendwann selber gehen zu können. Mein eigentlicher Wunsch war es nach dem Abitur mit meinem Freund diesen wandern zu können, jedoch klappte dies leider nicht wie erhofft. Solange ich auf die Gelegenheit warte ebenfalls ein Pilger werden zu können, lese ich nun mal verschiedene Bücher über Santiago de Compostela. Ich habe erwartet, dass der Autor vieles bereits vergessen habe, dies war jedoch trotz dem Fakt, dass er sich während der Wanderung keine Notizen machte, nicht der Fall. Gestartet hat er in Hendaye , war sich jedoch zunächst unsicher, welchen Weg er einschlagen möchte. Die Wahl lag zwischen dem Pyrenäen Marsch und dem Jakobsweg. Schlussendlich wurde es wie erwartet der Jakobsweg, welchen er ca. 40 Tage gewandert ist. Dabei schreibt der Autor, dass die Wahl des Startpunktes dabei liegt, zuerst zu entscheiden, ob man entweder zu Hause oder woanders los geht, und anschließend wo genau. Idealerweise wäre es wie Savoyarde direkt von zu Hause aus starte. Ein Zitat von dem Autor war folgendes:,, Der Unterschied zum Jakobsweg liegt darin, dass Santiago de Compostela keine Strafe ist, sondern eine selbst auferlegte Prüfung.“ (S.12 Mitte). Der Jakobsweg ist laut Rufin ein Prozess ,deswegen spielt die Zeit eine entscheidende Rolle. Sowohl bei dem Weg selbst als auch bei der Entscheidung des Startortes, abhängig davon wie viel Zeit man hat, verlegt man den Start näher an das Ziel. Dass Ziel selbst ist für jeden Pilger gleich – Santiago, dass einzige was sie unterscheidet ist der Startpunkt, so wird auch nicht gefragt, wer man ist sondern woher man kommt bzw.  wo man gestartet ist und so bildet sich eine ,,subtile Hierarchie..“ (S.15).  Im Buch wurde die Frage gestellt, welchen Sinn es hat, im 21. Jahrhundert einen solchen Weg zu Fuß zurück zu legen – diese Frage ist sehr interessant und die Antwort darauf variiert von Mensch zu Mensch. Der Autor beschreibt eine wunderschöne Natur  und die Natur selbst wunderschön.  Er schreibt sehr detailreich und interessant und es gelingt ihm immer wieder den Leser zu fesseln. Jean lässt dabei örtliche Gegebenheiten und Ereignisse, genauso wie Begegnungen mit der heimischen Bevölkerung und Pilgern nicht aus. So erwachten bei mir als er von San Sebastian schrieb Erinnerungen an meinen damaligen Aufenthalt dort. Bei dem ganzen bleibt er stets ehrlich und offen, und verleiht einem immer wieder durch seinen humorvollen Schreibstil, dem es an Ironie nicht fehlt, ein Schmunzeln im Gesicht. Er transportiert Gefühle und teilt mit uns seine Erfahrung und ist dabei aufrichtig und offen. Er sprach ebenfalls den Mangel an Komfort und äußerste Einfachheit an mit der man während des Jakobsweges konfrontiert wird. So schrieb er auch :,,  Ich verstand, wie nützlich es war, alles zu verlieren, um das Wesentliche wiederzufinden.“ (S.48). So fand ich es interessant welche Arten von Personen er traf und wie er mit diesen klar kam . Er war hauptsächlich allein unterwegs bis es seine Frau Azeb in Lugo traf, um die letzten Kilometer mit ihr gemeinsam zu wandern. Dabei wurde ihm klar , wie aufgeregt und ungeduldig Neuankömmlinge sind , und wie viele unnötige Dinge man zu Beginn mit sich trägt. Je länger man wandert, desto freier von Ungeduld wird man. Außerdem entwickelt sich der Zeitbegriff und der Glaube. Er selbst entdeckte den Glauben und sein Interesse an religiösen Anrichtungen bzw. das buddhistische  Glücksgefühl. Man solle die touristischen Erwartungen ablegen, denn der Pilger sei kein Tourist. In einem Punkt war ich  mit dem Autor nicht einverstanden, er schreibt, dass Notizen oder Tagebuch zu führen unnötig sei, und man nicht an der Vergangenheit festhalten sollte. Er riss selbst immer wieder Zettel aus seinem Reiseführer, sobald er den jeweiligen Ort gesehen hat. Jean-Christophe Rufin redet nichts schön und stellt es genauso dar, wie er es empfunden und wahr genommen hat und besonders am Ende wird dies dem Leser verstärkt klar.  Durch die Ankunft in Santiago wird man in die Gegenwart zurück geholt, die Pilger in dieser Stadt werden nicht wie sonst mit Neugier betrachtet und mit Freundlichkeit behandelt, sondern ignoriert. Der Autor ist von der letzten Etappe nicht begeistert und fühlt sich je näher er dem Ziel kommt immer einsamer und fremder. Die „unehrlichen“ Pilger werden immer mehr, dabei betont er auch ,dass nur „wahre“ dh. zum Beispiel die wandernden Pilger das Privileg auf eine Urkunde haben. Alles in allem schreibt er sehr realistisch, humorvoll, detailreich und äußerst interessant. Ich habe das Buch zweimal gelesen und finde es nach dem zweiten mal lesen, sogar noch besser. Er teilt seine ehrlichen Erfahrungen und erklärt dabei das Konzept des Jakobsweges und die historischen Hintergründe, ohne dass man das Gefühl bekommt ein Schulbuch zu lesen.


Information:
In dieser Spalte befindet sich jegliche Information über den Jakobsweg, welche ich für interessant und hilfreich empfunden und im Buch gefunden habe.

Eines der wichtigsten Themen auf den Santiago de Compostela ist der Pilgerpass.
Dabei ist Compostela lateinisch für Beweis der Pilgerreise. Es wird am Ende ebenfalls eine Pilgerurkunde in lateinischer Sprache ausgestellt. Der Pilgerpass selbst kostet ca. 3€. Mit diesem kann man in Pilgerherbergen übernachten. Dafür ist das lateinische Wort  Credencial. Der Pilger ist ständig auf der Suche nach Stempel, womit er seinen Pilgerpass abstempeln kann.  Die Stempel findet man nicht nur in Touristeninformationszentren, sondern auch in Apotheken, Bars, Postämter und oder Polizeirevieren. Wenn man sich als Pilger registrieren lässt bekommt man Studien, Einladungen zu Wanderausflügen und Versammlungen, wobei sich der Pilgerstammtisch trifft – eine Registrierung ist jedoch nicht notwendig.

Die Pilgerherbergen sind ausgestattet mit Küche, Gemeinschaftsdusche und Schlafzimmer. Da die Pilger die meiste Zeit damit verbringen möglichst wenig zu zahlen sind die Preise sehr bescheiden. Auch wenn der Pilger nicht arm ist, so benimmt er sich genauso.

Wildes zelten ist in Spanien streng verboten, dennoch gibt es sehr große Nachsicht.

Die Dauer des Jakobsweges ist Personen und Distanzabhängig, der Autor brauchte ca. 40 Tage. Dabei ist die Mindestdistanz die man bewältigen muss, um eine Pilgerurkunde zu kriegen 100km für Fußgänger und 200km bei Radfahrern. „Wahre“ Pilger reisen nicht mit Bus, Zug oder Flugzeug und übernachten auch nicht in Hotels. Um dem richtigen Weg zu folgen gibt es Markierungen, diese sind zum Beispiel Ecksteine aus Zement die mit einer Muschel versehen sind, ein gelber Pfeil oder auch Beschriftungen.



Schuhe sind ebenfalls ein wichtiges Thema, da man täglich ca. 8-10h damit verbringt zu wandern, sollte man bei Schuhen nicht geizen. Vor allem aber sollte man diese einlaufen, bevor man los wandert. Außerdem sollte man bei der Kleiderwahl klug handeln, da man nur eine beschränkte Anzahl an Kleidungsstücken mit nehmen kann sollte man eine bedachte Wahl treffen, eine mangelnde Hygiene ist mit vorprogrammiert.

Interessante Orte:
Es wurde ein gewisses Hotel erwähnt zu welchen man von selbstgebastelten Schmetterlingen geleitet wird, dort sind die Preise wohl bescheiden , trotz sehr guter Ausstattung. Genauso wurde eine Frau aus einem Lebensmittelladen erwähnt, wo es sich lohnt vorbei zu gucken (S.179-186). Santillana del Mar soll laut Jean das schönste Dorf Europas sein, deswegen ist dies evtl. auch einen Besuch wert.

Historisch:
Oviedo war für mittelalterliche Pilger ein unumgängliches Etappenziel und Salvador war der erste Zielpunkt der Pilgerfahrt von Jakobus – von dort aus beginnt auch der Camino Primitivo.

Die Stadt Lugo wird von einer römischen Stadtmauer, die ca 10-12m hoch ist umschlossen und ist ebenfalls ein UNESCO Weltkulturerbe.

Die traditionelle Kleidung eines Pilgers früher war: Pilgerstab, Muschel, Umhang, Hut,  Jakobskreuze, Kalebassen und ein Quersack.

Es gibt einen Mochila (Rucksack) – Express, welcher den Rucksack bis zum Ziel liefert.

Laut Autor sind ehrenhafte Startpunkte folgende:
Saint-Jean-Died-de-Port
Hendaye
Somportpass - hierfür kriegt man viel Annerkennung von Mitgliedern der Bruderschaft
Oviedo - wegen geschichtlicher begründeter Toleranz
Camino Primitivo - (von d. Hauptstadt Asturiens) = kürzer, wird jedoch trotzdem mit Respekt betrachtet, da es sehr gebirgiges Gelände durchquert, große Höhenunterschiede hat und dies der ursprüngliche Weg bzw Route ist die König Alfons II von Asturien im 9. Jahrhundert gegangen ist, um die berühmten sterblichen Überreste des heiligen Jakobus zu sehen die ein Mönch entdeckt hat.

Ein typischer Startpunkt ist der Camino Primitivo oder auch von der französischen Grenze aus. Der Startpunkt hängt davon ab, wie viel Zeit man hat, was man besichtigen möchte und welche Interessen man besitzt.

Es gibt zwei große Routen von der französischen Grenze aus:
1. Camino frances - meistfrequentierte
2. Küstenweg = nördlicher Weg - dieser ist schwieriger und schlechter gekennzeichnet

Durchschnittlich wandert man rund 30km pro Tag.
Meist hängt die Jakobsmuschel an dem Rucksack des Pilgern, wodurch man diesen schnell als einen ausmacht.

Route: Bevor ich die Karte auf den letzten beiden Seiten gefunden habe , habe ich mir bereits jeden Ort an den der Autor erwähnt hat notiert. Dies tat ich um mir selbst eine Karte zu erstellen um besser veranschaulichen zu können, welchen Weg der Autor auf sich gebracht habe. Die Karte des Autors ist nicht weniger gut, ich habe bloß alles bereits aufgeschrieben, bevor ich diese entdeckt habe.  Die Zeitangabe von Google stimmt natürlich nicht, deswegen diese bitte ignorieren. Zusammengerechnet sind es ca 1020 km.




Fazit: Alles in allem ist es ein sehr humorvoller, interessanter, detailreicher Roman, welcher nicht alles schön redet, sondern auch das Negative so ins Licht rückt wie der Autor es wahrnimmt. Meine Neugier auf den Jakobsweg wurde durch den Inhalt verstärkt und mein Verlangen den Weg selbst zu wandern wuchs enorm an. Zudem wuchs das Fernweh und viele Erinnerungen an eigene Reisen erwachten beim Lesen des Buches wieder. Ein sehr abenteuerlicher Roman, welchen ich nur weiter empfehlen kann und jedem der an dem Jakobsweg interessiert ist ans Herz legen würde.

Dank: Ein großer Dank gilt natürlich dem Penguin Verlag, welcher mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zugeschickt hat. Hiermit möchte ich mich nochmals bei Ihnen  und bei dem Bloggerportal Randomhouse für die Möglichkeit dieses Werk zu rezensieren bedanken.



on Juni 15, 2017 by  |